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Nach mehreren kulinarischen Desastern habe ich den Friesenhof jahrelang gemieden. Zu aufdringlich der Seefahrer-Kitsch Made in Taiwan, zu offensichtlich die Touristenabzocke mit pompös klingenden Fischgerichten in dann einfachster Zutat und Ausführung. Nur wenige Schritte vom Marktplatz gelegen und mit dem Parkplatz für die Touristenbusse die Straße runter war die Auslastung wohl nie ein Problem.
Ermutigt durch die vorige Kritik (und den Umstand, dass bei Regenwetter der Eingang 30 Meter von meinem Büro liegt) habe ich mal wieder einen Versuch gewagt. Aus meiner Sicht nach wie vor keine Empfehlung.
Bedienung
Die erfahrene Kraft, lt. Bon Frau Segelke, erledigte ihre Arbeit routiniert und professionell. Ich wurde auf den regelmäßigen "Schollen-Tag" am Donnerstag aufmerksam gemacht, der neben das Tagesangebot tritt. Es ging alles flott. Die Fragen nach der Zufriedenheit klangen ehrlich interessiert. Die Kerzen auf den Tischen waren zur Mittagszeit alle nicht entzündet. Für die Stammgäste einen freundlichen Schnack, wie man hier so sagt.
Das Essen
Vorweg belangloses Baguette mit einer krossen Kruste und zwei große Scheiben helles Vollkornbrot. Etwas trocken und so, wie ein Supermarktschnittbrot aus der industriellen Großbäckerei halt schmeckt (bzw. nicht schmeckt). Keinerlei Dip oder Aufstrich. Früher gabs Schweineschmalz mit Grieben. Das war was besonderes und so ein gesalzenes Schmalzbrot ist ja von Zeit zu Zeit auch was Feines.
Tempi passati - das Schmalz gibt es jetzt als "Friesische Tapa" für 3,50 Euro das Töpfchen. Die Touri-Abzocke hat man jedenfalls noch drauf.
Da ich die Schollen bei Bodes (s. meine Kritik) frischer, besser und billiger bekomme und ich auf die in der Vorkritik gelobten Bratkartoffeln keinen Appetit hatte, entschied ich mich für das Tagesgericht: Gepökelte Rinderbrust in Meerettischsauce mit Petersilienkartoffeln und grünen Bohnen für sage und schreibe 5,90 Euro.
Da war im Budget nicht nur ein Softdrink für recht günstige 2,50 Euro drin, sondern auch eine Vorspeise aus dem Angebot der "Friesischen Tapas". Neben dem erwähnten Schmalz und einer Kräuterbutter (auch für 3,50!) waren das die ungeheuer friesischen Klassiker Harzer (!) Handkäse und Salat mit Hirtenkäse und Oliven. Alles jeweils im Weckglas serviert, vermutlich eine alte Strandräuberspezialität... Aber Überraschung, es war ja mit dem bunten Matjessalat doch ein einziges Angebot von der Küste dabei.
Hätte ich doch die Bratkartoffeln genommen!
Etwa zwei Suppenlöffel voll Matjessalat mit Paprika, frischen Gurken und Zwiebeln. Das Gericht schmeckt nur säuerlich nicht nach konservierungsstoff, eher nach mildem, leicht fruchtigem Essig. Die Komponenten hatten alle keinen dagegen wahrnehmbaren Eigengeschmack. Der Matjes war auch solo nicht erkennbar, weder salzig, noch so wunderbar mildfettig, wie ein guter Matjes sein kann. Nach nichts außer dem Essig, vielleicht schon ewig mariniert.
Beim Stammessen ein ähnliches Bild in aufsteigender Güte bei Kartoffeln, Bohnen und Fleisch mit Sauce. Unterschiedlich groß geschnittene Kartoffelstücken sehr weich, aber nicht zerkocht oder matschig. Ohne Geschmack. Seltsam, was die industrielle Herstellung von Lebensmitteln so macht: Vom Gefühl im Mund Kartoffeln, aber nichts zu schmecken. Die grüne Bohnen TK-Ware, dafür mit etwas, aber doch wenig Geschmack. Leichte Butternote. Einzig das Fleisch war zumindest durchschnittlich. Zwei Scheiben von der Dicke eines kleinen Fingers. Zart, aber noch schnittfest, also nicht zerfallend und auch nicht trocken. Typisch salziger Pökelgeschmack. Die Sauce dickflüssig, aber noch nicht fest, nur dezenter Merrettichgeschmack. Vermutlich Tüte, hinterließ auf der Gabel so einen Film.
Eine durchschnittliche Komponente reicht nicht für drei Sterne. Es war aber auch nichts schlecht im eigentlich Sinne, nur nichts. Daher genau richtig für 2 Sterne. Klar darf man für den Preis keine Geschmackswunder erwarten, aber gerade gute Beilagen in großen Mengen für das Tagesangebot belasten die Kalkulation nicht über die Maßen.
PLV aufgrund des sehr günstigen Stammessens einen mehr, obwohl der Matjessalat schon sehr wenig war.
Das Ambiente
Nach einem Relauch, der nach meiner Erinnerung Anfang der 2000er war, ist das Disney-Piratenambiente verschwunden. Der große Gastraum optisch gut in mehrere Zonen unterteilt. Zur Straße durch die bodentiefen Fenster und Türen, die im Sommer vollständig geöffnet werden, hell und Tische und Bänke locker verteilt. In einem leicht erhöhten Bereich längere Tische für Gruppen und Nischen. Hinten gehts noch weiter, da wird es dann aber klein und dunkel. Auf dem Boden Parkett, die Tische und die bequemen, mit hellem Lederimitat bezogenen Stühle aus dunklem Holz. Die grob verputzten Wände abwechselnd in hellem Sandton und einem warmen Rostbraun. Ich hab mich sehr wohl gefühlt, vermutlich bin ich auch soooo 80er...Der Kitsch ist wenigen maritimen Details gewichen, die in der Tat unaufdringlich eine Decksatmosphäre aufkommen lassen.
Der Blick geht auf eine kleine Straße und die Geschäfte im gegenüberliegenden, schönen Bürogebäude. Wer will, kann gucken, ob bei mir noch Licht brennt. Ich hab mich dann mal mit dem Rücken zum Arbeitsplatz gesetzt...
Zur späten Mittagszeit bestand die überschaubare Kundschaft fast vollständig aus älteren Herrschaften allein oder als Paar. Nach norddeutscher Sitte jeder an seinem eigenen Tisch. Es wurde überwiegend das Stammessen geordert.
Sauberkeit
Der Gastraum war untadelig sauber. Frau Segelke wischte nach jedem Gast den Tisch sorgfälitg und nicht nur alibimäßg ab. Nach den Ekelkissen im Spaghettihaus den Tag zuvor, hab ich mir die Sitzgelegenheiten genauer angeschaut. Man sah den Gebrauch, wie bei hellerem Lederimitat zu erwarten, aber es war durchweg sauber. Toiletten nicht besucht.