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Ich war in der Gegend unterwegs, um noch ein paar Besorgungen zu erledigen, ging es doch über Weihnachten nach Bremen zu den Schwiegereltern. Meine Lust auf ein paniertes Fischfilet aus der Pfanne hatte an diesem Freitag keinerlei christlichen Hintergrund. Nach dem Zander im Karpfen ein paar Wochen zuvor, war jetzt eben das Anglerheim dran.
An einen Freisitz mit Blick auf das stille Altrheingewässer nebenan war natürlich nicht zu denken. Dafür war es draußen viel zu kalt. Aber im Inneren der heimeligen Backfischbutze würde sich bestimmt ein Plätzchen finden. Bevor ich jedoch die wärmende Gaststube betrat, warnte mich vor dem Anwesen eine Schiefertafel mit mahnenden Worten.
...hat sich als irrtümlich erwiesen!
Gerne wäre ich dem gut gemeinten Rat des Kulinar-Historikers, der diese Zeilen mit Weisheit und Kreide auf die Tafel gebracht hatte, demütig gefolgt. Aber erstens war es kein warmer Sommertag, der eine kalte Rieslingschorle (Pfälzer Nationalgetränk!) gerechtfertigt hätte und zweitens musste ja noch der Rückweg nach Wörth mit dem Auto bewältigt werden.
Der Schorleosaurus Rex in mir durfte seinen Winterschlaf fortsetzen. Ich dagegen wurde von einer jungen Servicekraft freundlich in Empfang genommen und platzierte mich gleich am ersten Tisch mit Blick auf den Ausschanktresen. Es war nicht viel los in dem L-förmigen Gastraum des Anglerheims. Ein paar vereinzelte, späte Mittagseinkehrer („Late-Luncher“) vertilgten ihre letzten Happen.
Die im gutbürgerlichen Dorfwirtschaftslook eingerichtete Speisestätte mit dem kernigen Holzmobiliar, dem gefliesten Boden, den gut gepolsterten Wandbänken und den cremefarbenen Vorhängen machte einen absolut gepflegten Eindruck.
Der Gastraum des Anglerheims
Dieser sollte sich beim Besuch des recht kleinen, fensterlosen Nassraums bestätigen.
Eine Glocke, vielleicht zur Ankündigung einer Lokalrunde oder der letzten Bestellmöglichkeit des Abends, baumelte lässig von der Decke. Mehrere Glühbirnen pendelten ganz Retro von selbiger und erhellten den Raum zusätzlich.
Der Mann hinterm Tresen mischte Bellheimer Silberpils mit süßem Sprudel und servierte mir zeitnah meinen Schoppen Radler (4,30 Euro), den ich im Angesicht des Durstes zuvor geordert hatte.
Blick hinüber zur Theke
Beim Essen setzte ich einmal mehr auf meinen liebsten Rheinfisch in der Panierversion, den in Neupotz zum kulinarischen Erbe zählenden Zander. Für dessen Filet in der Bröselhülle zahlte ich übrigens sehr gastfreundliche 15,90 Euro inklusive Beilagen.
Der normalerweise dazu servierte Kartoffelsalat ließ sich problemlos durch eine Portion Fritten ersetzen. Die Remouladensoße kostete hier übrigens keinen Cent extra – auch nicht ihre Nachbestellung als Dip für meine Pommes. Da könnte sich das Team vom Karpfen mal ein Beispiel nehmen.
Der vorweg gereichte, sauer angemachte Beilagensalat kam in einer kleinen Glasschale, in der geraspelte Möhrenrohkost ganz klassisch neben etwas Weißkraut und ein paar Blättern Eisbergsalat ruhte. Ein solider, da frischer Vertreter seiner vegetabilen Art.
Das panierte Filet des zur Barschfamilie zählenden Süßwasserfisches war natürlich das Objekt meiner Begierde. Hübsch anzusehen, praktisch grätenfrei und schön saftig lag der „Fisch namens Zanda“ vor mir.
Prachtvolles Panierstück in Fisch
Auch hatte er vor dem Brutzeln die passende Würze abbekommen. Pfeffer und Salz – mit Augenmaß verwendet – haben noch keinem Backfisch geschadet. Zusammen mit etwas Saft vom beiliegenden Zitronenschnitz und der hausgemachten Remoulade war das ein einfacher, aber dennoch glücklich machender Mittagstisch, bei dem ich wirklich jeden einzelnen Bissen genoss.
König Zander entließ mich mit einem guten Bauchgefühl. Auch der Fettgehalt von Fritten und Remouladensoße hielt sich in Grenzen und machte sich auch nach dem Mahl nicht negativ bemerkbar. Manchmal braucht es einfach eine deftige Frittierküche für die angekratzte Seele.
Ich freute mich bereits auf die anstehende Fahrt nach Bremen, die wir eine Woche später im ICE antraten. Dort traf ich auch auf eine nahezu ausgestorbene Spachtel-Spezies, den sogenannten Borgosaurus Topaz. Dieser „Dino“ hat auch nie Rieslingschorle getrunken, erfreut sich aber nach wie vor bester Gesundheit. Das Schild vor dem Anglerheim zu Neupotz kann also getrost als „Lügentafel“ bezeichnet werden…