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Wie schön, dass diese trostlosen Zeiten für Auswärtsesser jetzt vorbei sind. Der Grund: in den letzten Monaten haben in den Nachbardörfern Rohrbach und Billigheim zwei neue gastronomische Einrichtungen eröffnet, denen ich mich in einem zweiteiligen „Geschmacksreport“ widme. Die Reise in den kulinarischen Nahraum beginnt im komplett sanierten bzw. restaurierten Rohrbacher Bahnhof.
Das denkmalgeschützte Empfangsgebäude des Rohrbacher Bahnhofs dümpelte mehrere Jahrzehnte ungenutzt vor sich hin. Der stattliche, spätklassizistische Bau aus dem letzten Viertel des 19.Jahrhunderts besaß keinen Verwendungszweck mehr und stand all die Jahre leer. Wie sich das auf die Bausubstanz auswirkte, kann sich jeder denken. Es bröckelte der Putz und das Ensemble verkam zu einem jämmerlichen Relikt eines längst überholten Bahnzeitalters. Was könnte man nicht alles aus diesem Gebäude machen? Zugegeben, das dachte auch ich, wenn mich der Weg über den Rohrbacher Bahnübergang in Richtung Autobahn führte.
Schließlich kaufte die Gemeinde Rohrbach das Anwesen der Deutschen Bahn zu einem geringen Preis ab. Der Herxheimer Designer André Steverding, jüngerer Bruder von Isenhof-Koch Peter Steverding, erwarb zusammen mit seiner Lebensgefährtin Eva Mendel das Objekt im letzten Jahr. Ein Jahr und unzählige Arbeitsstunden später, konnte im Frühjahr der neue „Kultur- und Eventbahnhof“ eröffnet werden. Neben einem Küchenstudio und einer Werbeagentur ist auch das Restaurant „Zum Bahnhof 1894“ in den großzügigen Räumlichkeiten (860 Quadratmeter Nutzfläche!) untergebracht. Außerdem stehen vier geschmackvoll gestaltete Gästezimmer zur Verfügung. Seminarräume sollen im Sommer folgen.
Unser erster Besuch war eine Spontanaktion im Anschluss an eine abendliche Radtour. Wir waren schon gesättigt von der vorangegangen Einkehr und wollten noch auf ein Gläschen Wein in den umfunktionierten Bahnhof einkehren. Für die späte Uhrzeit war noch gut was los. Wir durften uns an einem zentral gelegenen Tisch niederlassen und begutachteten in aller Ruhe die edle Inneneinrichtung der modernen Bahnhofsgaststätte. Hier merkte man gleich, dass da einer mit viel Sachverstand und Erfahrung zu Werke gegangen war. André Steverding, der im Bereich Wohn- und Objektdesign kein Unbekannter ist, hat hier ein Interieur geschaffen, das beeindruckt.
Tief hängende Spots erleuchten die mit schlichter Holzplatte versehenen, einbeinigen Bistrotische stimmig. Man sitzt auf äußerst bequem gepolsterten Schalensesseln oder gleich auf einem der lauschigen Wandsofas. Neben den Strahlern über den Tischen setzen Wandleuchten indirekte Lichtakzente. Der „geflügelte“ Kronleuchter ist natürlich Geschmackssache, fällt aber zumindest auf. Genau wie die in Rot und Senfgelb gehaltenen Nostalgievorhänge, die passend zur Retrotapete mit Blumenmuster die Fensterseite schmücken.
Zusammen mit dem zylinderförmigen Kaminofen und dem rustikalen Parkettboden – ich tippe auf Landhaus-Eiche im Vintage-Look – versprüht der Gastraum eine bodenständige Wohlfühlatmosphäre in zeitgemäßer Optik. Dazu passen auch die lediglich mit Einfachbesteck und Serviette eingedeckten Tische, die bei allem Purismus eine etwas einfallsreichere Dekoration – ein trauriges Blümchen im Wasserglas – verdient hätten. Ich bin mir sicher, dass Kreativkopf Steverding auch hier noch das Passende finden wird.
Einziger wirklich negativer Aspekt war die zu laute Raumakustik. Trotz sichtbarer Dämmung ließen die hohen Decken einen unangenehmen Schallpegel entstehen, der eine zu hohe Geräuschkulisse nach sich zog. Dies ging leider etwas zu Lasten der Atmosphäre. Da konnten auch die schallabsorbierenden Vorhänge wenig ausrichten. Ein Manko, mit dem man als Gast des Bahnhofs klarkommen muss. Was wir aber angesichts der geschmackvollen Inneneinrichtung als durchaus verschmerzbar erachteten.
Wir waren bei unserem Erstbesuch spät dran. Die Küche hatte schon Feierabend und wir studierten die mit Bedacht zusammengestellte Weinkarte, um uns einen passenden Tropfen auszusuchen. Das reichhaltige Angebot an offenen Weinen überraschte mich dabei genauso wie die äußerst fair kalkulierten Flaschenweinpreise. Die bewegten sich fast ausnahmslos unter der 20-Euro-Marke, viele davon sogar unter 15 Euro. Dass es das noch gibt. Außerdem kamen viele der angebotenen Kreszenzen aus der unmittelbaren Umgebung. Denn auch Rohrbach hat mit dem Weingut Becker, dem Ökonomierat Lind und dem etwas außerhalb sich befindenden Neusperger Hof durchaus qualitativ etwas vorzuweisen. Warum denn immer gleich die hochpreisige VDP-Keule schwingen, wenn die jungen wilden Weinmacher aus der Pfalz viel spannendere Entdeckungen versprechen?
Wir entschieden uns für den trocken ausgebauten Muskateller „Quarzsand“ vom Weingut Mathis aus Klingenmünster (ja genau der mit der Weinstube…) und die Ilbesheimer Pinot-Cuvée vom Jungwinzer Benjamin Ehrhart aus Eschbach (beide Viertel für jeweils 5,60 Euro), der unter anderem der „Generation Riesling“ angehört. Beide Weißweine enttäuschten nicht, wobei der Muskateller eine wirklich phänomenale Frucht besaß und die Burgunder-Cuvée dagegen etwas farblos wirkte. Während wir so saßen und mit der freundlichen Dame vom Service ein wenig ins Plaudern kamen, fand dann doch noch ein Stück Apfelstreusel von der Herxheimer High-End Bäckerei Kerner den Weg auf unseren Tisch. Nebenbei musste ich einen Blick in die Speisenkarte werfen, denn der Folgebesuch zum Abendessen war schon in Planung.
Dem saisonalen Anspruch wird man gleich auf der ersten Seite gerecht. Zwei Vorspeisen (davon eine Suppe), drei Hauptgerichte und ein Dessert bietet die übersichtliche Saisonkarte. Anfang Juni darf das Spargelcrèmesüppchen mit gebeiztem Lachs (6,80 Euro) sowie die marinierten Erdbeeren (7 Euro) für hinterher natürlich nicht fehlen. Das kurzgebratene Onglet (hier „Hanging Tender betitelt) mit Grillgemüse und Kartoffel-Wedges (27,80 Euro) lockt den Fleischaffinen. Die Preise erschienen mir zunächst recht üppig kalkuliert. Ich war gespannt, in welchem Verhältnis sie zur gebotenen Qualität standen.
Drei Tage später, an einem Mittwoch, hatten wir für 19.30 Uhr reserviert und waren so ziemlich die letzten, die an diesem Abend noch etwas auf den Teller bekommen wollten. Es war noch einiges los, aber die meisten hatten ihre Speisen schon vertilgt, was aufgrund des fehlenden Bestecks auf den Tischen ersichtlich war. Eine größere Gruppe saß etwas separiert im Vorraum gleich neben dem Eingang und ließ sich mehrheitlich den 220 Gramm schweren Bahnhofs-Burger vom Black Angus mit Pommes frites (13,30 Euro) schmecken.
Neben den bereits erwähnten Empfehlungen der Saison listet die eigentliche Speisenkarte eine recht breitaufgestellte Auswahl an Pfälzer Gerichten, Salatvariationen, kleineren Vespereien und fleischigen Hauptspeisen. Die Dessertauswahl kommt, ähnlich dem Vorspeisenangebot, etwas dürftiger daher. Die letzte Seite widmet sich als „Kinderkarte“ ganz dem Geschmack der kleinen Gäste.
Vorneweg sollte es mal wieder eine Spargelsuppe sein. Derer habe ich in den letzten Wochen des Öfteren gefrönt, so dass ich hier die geschmackliche Vergleichsschablone auf der Zunge hatte. Dann wurden unsere beiden Hauptgänge regelrecht einge“burgert“. Zum Bahnhofsburger vom Black Angus (9,80 Euro) wurden alternativ Süßkartoffel-Pommes (4 Euro) angeboten. Ein Angebot, das der Gastro-Pate aus Steinweiler nicht ablehnen konnte. Meine Begleitung zeigte sich weit weniger kaufreudig und orderte den mürben Pulled Beef Burger (12,80 Euro) von der Juni-Karte. Die süßlichen Kartoffelstäbchen fielen schließlich in die Kategorie „Beilagen-Sharing“, was den stattlichen Burger-Maßen geschuldet war.
Aus der Weinkarte der Entdeckungen wurden zwei weitere Vertreter auserkoren. Die rote Cuvée „Leib & Seele“ (0,1l für 2,90 Euro) von Bergdolt-Reif & Nett aus dem südpfälzischen Duttweiler (bei Neustadt) und die Weißwein-Cuvée „Fidibus“ vom Weinhaus Franz Hahn aus Albersweiler (das Viertel für 4,90 Euro). Der Rote hatte ordentlich Restsüße und sich den Zusatz „feinherb“ redlich verdient. Meine Burgundercuvée (Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay) kam zu einem Drittel aus dem Holzfass und strotzte vor fruchtiger Frische. Ein süffiger Sommerwein und idealer Einstieg ins Hahn’sche Burgunderprogramm. Ein „Traditionsbetrieb in Neuauflage“ (vgl. Homepage), von dem man sicherlich noch einiges hören bzw. trinken wird.
Nun zum Wesentlichen, den auf bzw. in den Tellern befindlichen Speisen. Die Küche grüßte vorweg recht banal mit frischem Kräuterquark und gutem Brot. Die Spargelcremesuppe war fein abgeschmeckt, schön aufgeschäumt und wurde mit gebeiztem Lachs serviert. Dieser war leider viel zu dominant im Geschmack und erschlug die recht dünne Spargelsuppe gnadenlos. Außerdem mag ich es, wenn einem die Crèmesuppe auch leicht sämig vorgesetzt wird. An das Referenzsüppchen aus der Neupotzer Krone kam die Version bei weitem nicht heran. Ausreichende Portionsgröße traf hier auf guten Geschmacksstandard, der jedoch für knapp 7 Euro preislich etwas zu ambitioniert bemessen war.
Da hatten die beiden Burger schon mehr Format. Und das sowohl in geschmacklicher, als auch in optischer Hinsicht. Mein Patty hatte gute 220 Gramm und wurde mit knusprigem Bacon, Salat, Essiggurke, roter Zwiebel, Tomate, geschmolzenem Cheddar und BBQ-Sauce veredelt. Das Bun war schön fluffig und vom Mundgefühl her meilenweit weg von labbriger Einheitsware aus der Fabrik für Burger-Brot. Der Bratling hätte etwas mehr medium sein dürfen, aber das hatte ich im Vorfeld vergessen zu sagen. Die Fleischqualität war auf jeden Fall erstklassig. Das schmeckte man. Die süßlichen Pommes passten zur deftigen Würze des Burgers sehr gut. Ein rundum schlüssiges Bulettengericht, das ich gerne wieder bestellen würde. Auch meine Begleitung lobte ihren Pulled Beef Burger, der mit süffigem Krautsalat unterfüttert war. Bei den dazu gereichten Scharfmachern, die in den Graden 1 bis 3 erhältlich sind, ist allerdings Vorsicht geboten. Die mittlere Scoville-Tunke war uns schon too much und brannte die Geschmacksnerven wie ein Flammenwerfer nieder.
Da war uns nach einem erfrischenden Abschluss zumute. Die marinierten, im kleinen Dubbeglas (0,25l) servierten Erdbeeren mit Joghurteis und Limettenespuma (7 Euro) beruhigten den von der Chilisauce gereizten Gaumen auf sehr angenehme Art und Weise und setzten ein sommerlich frisches Ausrufezeichen.
Wir waren schließlich die letzten Gäste und dementsprechend angenehm war zur späteren Stunde die Akustik im Raum. Was für ein Unterschied zum Zeitpunkt unserer Ankunft! Dennoch haben wir uns im neuen alten Bahnhof sehr wohl gefühlt, was neben der geschmackvollen Einrichtung vor allem dem sehr fürsorglich agierenden Service geschuldet war. Hier hat man scheinbar das richtige Personal, um seine Gäste rundum zufrieden zu stellen. Die Portionsgrößen sind pfälzisch, die Preise noch etwas inhomogen. Aber das wird die Zeit schon richten. Für uns ist diese neue gastronomische Einrichtung eine sehr günstig gelegene, durchaus schmackhafte Alternative, die wir sicherlich noch öfter „anradeln“ werden. Und sicherlich um keine Weinentdeckung verlegen.