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Trotz ihrer etwas versteckten Lage in der Haufenstraße, die auch mit der Endung „-gasse“ gut bedient wäre, erfreut sich die Traditionsweinstube einer großen Beliebtheit. Auch die Badenser wissen, wo sich die guten Pfälzer Einkehradressen befinden und mischen sich gerne unter das Südpfälzer Regionalpublikum. Im Falle der Alten Kelter ist das – sieht man einmal vom Freitagabend ab – leider nur am Wochenende möglich. Ihren Straußwirtschaftscharakter hat sich die behaglich eingerichtete Wein- und Schmankerlstube nämlich bis heute bewahrt.
In meinem ersten Kelter-Report habe ich mich ausführlich über die namensgebende Weinpresse aus dem Jahr 1711 und das ganze Drumherum ausgelassen. Auch über die gutseigenen Weine, die hier nach wie vor zu sehr moderaten Preisen glas-, schoppen- oder flaschenweise unter das durstige Volk gebracht werden, habe ich bereits berichtet. Bis auf ein paar behutsame Preisanpassungen hat sich weder das Getränke- noch das Speisenangebot in irgendeiner Weise geändert. Ach, wie schön, dass es noch kulinarische Konstanten gibt!
Wir stellten unsere Räder im beschaulichen Innenhof ab und traten ein. Ein paar Jährchen waren seit meinem letzten Besuch ins Land gegangen, was dem Patron ein herzliches „Grüß dich, dich häwwich do jo schun ewich nimmie g’sääne!“ entlockte. Nach seinem vertrauten „Suchen eich än scheene Platz aus, ich bän gleich bei eich“ machten wir es uns in der ehemaligen Stallung gemütlich.
Günther Becker, der nach wie vor das Gespräch mit seinen Gästen pflegt und die sechs Tische in seiner Weinstube in der Manier eines Wirts der alten Schule „abklappert“, hat mittlerweile jugendliche Verstärkung bekommen. So kann der Herr des Hauses sich auch gerne mal festquatschen, ohne dass gleich jemand am Nachbartisch verdurstet.
Kurz darauf stellte sich ein junger Servicenovize namentlich vor und händigte uns das hinter Klarsichtfolie gehaltene Speisen- und Getränkeangebot aus. Diverse kalte Vespereien (z.B. die Hausmacherplatte), eine gute Handvoll Käsevariationen (u.a. Münsterkäse mit Senfsoße), ein halbes Dutzend Pfälzer Hausspezialitäten (Winzersteak, Rumpsteak, Pfälzer Teller) und ein paar deftige Hausklassiker (die „Toast-Hawaii-Legende“ lebt weiter…) standen als gehaltvolle Weinbegleiter bereit. Im Schnitt ein, zwei Euro teurer als vor 4 Jahren, aber alles im inflationskompatiblen Bereich.
Die Flasche Mineralwasser von Gerolsteiner war für vernünftige 3,50 Euro zu haben. Ein Viertel vom Spätburgunder (4 Euro) für die Dame und eines vom Grauburgunder (4,20 Euro) für den Durst des Weißweinverstehers an diesem Abend.
Die junge Dame am Tisch bestellte ganz entgegen ihrer üblichen Gepflogenheit keinen gebackenen Schafskäse - eigentlich ihr Standardgericht in Pfälzer Weinstuben - , sondern entschied sich für eine Portion “Weiße Kees“ (7 Euro), wie man bei uns den mit Zwiebeln und Schnitt- bzw. Frühlingslauch gereichten Quark nennt. Dazu passend sollten es ein paar Pellkartoffeln (3,50 Euro) als Beilage sein.
Mir war an diesem Abend nach einem kurz vor medium gebratenen Rückenstück von meinem Lieblingsweidetier. Das 250g-Rumpsteak war in der Zwiebelversion als auch mit Kräuterbutter erhältlich. Ein Beilagensalat war für den Preis von 17,50 Euro inklusive. Für die dazu bestellten Bratkartoffeln wurden 4 Euro extra berechnet. Um mich in puncto Antrieb auf dem Rückweg mit dem Rad nicht zu übervorteilen, wählte ich ganz brav das Faux-Filet „en nature“. Ich bat lediglich um etwas Bratensoße, damit es besser rutschen möge.
Der Grauburgunder verdunstete derart schnell, dass ich um ein zweites Viertel nicht herumkam. An unserem Tisch wurde es indes etwas lebhafter, denn zwei befreundete Pärchen aus der näheren Umgebung, allesamt schon jenseits der 60, gesellten sich zu uns. Damit muss man in einer Pfälzer Weinstube immer rechnen. Das „Table-Sharing“ wurde schließlich in unserer Region erfunden. Es entwickelte sich ein netter Plausch über Wein und gutes Essen. Kein Wunder, dass da auch der von unseren Freunden betriebene Hubertushof im benachbarten Ilbesheim erwähnt wurde. Die älteren Herrschaften kannten sich aus.
Schon der Beilagensalat war ein erstes schmackhaft angemachtes Statement in Sachen Produktfrische. Schön knackig, mit feiner Essignote und würzigen Frühlingszwiebeln – kurzum: ein belebender Auftakt nach Maß. In einer stattlichen Steingut-Terrine verbarg sich eine feiste Portion Weißer Käse, der ganz klassisch mit Pfeffer, Salz und etwas Paprikapulver gewürzt war. Kleingehackte Zwiebeln und Frühlingslauch wurden separat dazu serviert. Genau wie die drei mächtigen Pellkartoffeln, die in einer gesonderten Steingutschüssel vor sich hin dampften. Da hatte sich die Jüngste am Tisch ganz schön was vorgenommen.
Fast schon asketisch mutete dagegen das saftige Rumpsteak mit Fettrand an, das im gewünschten Gargrad auf meinem Teller landete. Die Bratkartoffeln waren über jeden Butterschmalzzweifel erhaben und kamen geschmacklich nah an die Referenz-Gebreedelde aus der Weinstube Jülg (Schweigen) heran. Der Begriff „Salz“ schien in der Alten Kelter kein Fremdwort zu sein und das tat meinen „Grumbeeren“ sehr gut. Ich tunkte sie genüsslich in die zusätzlich georderte „Braadesooß“, die nicht auf der Rechnung erschien.
Nach diesen ehrlich zubereiteten Portionen Pfälzer Heimatkost waren unsere Akkus wieder voll, um auch ohne „E“ den Hügel in Richtung Appenhofen angehen zu können. Natürlich setzte sich Günther Becker an diesem Abend auch zu uns an den Tisch. Ein echtes Original, mit dem man herrlich „drufflos babble“ kann und der mit seiner geselligen Art überall gut ankommt.
Gut ankommen ist in der Alten Kelter nicht schwer. Die Weine aus dem eigenen Anbau sind grundsolide und gehen selbst durch die Zugabe von Mineralwasser (auf Deutsch: Sprudel) nicht kaputt – im Gegenteil manche verlängern dadurch sogar ihre Existenz im Glas.
Solche urigen Weinschenken werden leider immer seltener, da sich ihre passionierten Betreiber in den Ruhestand verabschieden und schlichtweg der Nachwuchs fehlt. Um diese traditionelle Dialektstube mit Genussgarantie wäre es besonders schade.
Denn: „der gute Gott hat nicht gewollt, dass edler Wein verderben sollt. Drum hat er uns nicht nur die Reben, nein auch den nöt’gen Durst gegeben!“
In diesem Sinne: „Prost, Günther!“