"Mehrstöckiger „Neo-Sushi-ismus“ in einer trendig-schicken Lifestyle-Location"
Geschrieben am 07.06.2025 2025-06-07 | Aktualisiert am 07.06.2025

Montag: | Ruhetag |
Dienstag: | Ruhetag |
Mittwoch: | 17:30 - 22:30 Uhr |
Donnerstag: | 17:30 - 22:30 Uhr |
Freitag: | 17:30 - 22:30 Uhr |
Samstag: | 17:30 - 22:30 Uhr |
Sonntag: | 12:00 - 14:30 Uhr und 17:30 - 22:30 Uhr |
Da wollte meine Gattin schon immer mal mit mir hin. Also flugs ein paar Rheinmetall-Aktien verkauft (Joke!), im unweit des Hauptbahnhofs gelegenen Meininger Hotel ein einfaches, aber sauberes Zimmer für zwei Nächte klargemacht und mit der Deutschen Bahn („sänk ju for träwelling…“) in Richtung „Kurpfalzperle“ getuckert.
Ach ja, ich hatte auch noch einen gegen viele tausend Prämienpunkte eingetauschten Gastroguide-Gutschein, dessen schiere Existenz selbst langgediente Portalpatrioten nach wie vor für einen Mythos halten, vom angesagten NEO-Restaurant, das im noch recht jungen Stadtteil Bahnstadt auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs ansässig ist, in meiner Schreibtischablage gefunden.
Da hieß es das Angenehme mit dem noch Angenehmeren verbinden und bequem über deren Homepage einen Tisch für drei Personen für Freitagabend um 18 Uhr reservieren. Den vorgegeben Zeitrahmen von zwei Stunden konnten wir locker einhalten, da unsere Jüngste nicht allzu spät ihren Matratzenhorchdienst (Schlafrhythmus – gerade bei Kleinkindern so wichtig!) antreten sollte.
Mit Kind und Kegel bzw. Frau ging es dann per pedes in Richtung Halle02, einem Kultur- und Konzerthaus neben dem sich seit dem Frühjahr 2016 der bereits von außen sehr ansprechend illuminierte Trendschuppen für junggebliebene, finanziell besser situierte Zeitgeistgaumen befindet.
Der Trockenreifeschrank am Eingang präsentierte gut Abgehangenes von der Kuh. Gut Rind will schließlich Weile haben! Und dem ankommenden Gast soll gleich klargemacht werden, dass man hier auf gutes Fleisch (mit Herkunftsnachweis) Wert legt.
So sympathisch ging es dann auch weiter. Wir wurden mit humorvoller Freundlichkeit empfangen und zu unserem Tisch nach hinten in die „Holzabteilung“ geführt. Das stylish eingerichtete Innere versprühte lässiges Großstadt-Flair.
Wandfluter und Lichterzweige sorgten für ein nicht allzu helles Maß an Beleuchtung. Mit anderen Worten: ein geradezu perfektes Ambiente fürs erste Date. Der in der Nähe wohnende Sohnemann eines bekannten Community-Mitglieds würde dies garantiert bestätigen.
Jener, als gemütliches Chalet umfunktionierte „Wintergarten“, hatte dank der temporär eingezogenen, aus hellem Holz geschnitzten Wände zwar genügend alpenländisches Flair zu bieten,
konnte aber leider die Novemberkälte nicht vollends verbannen. Meine Frau beklagte sich über einen zwar leichten, aber doch beständigen Luftzug, der entweder auf mangelhafte Isolation oder eine zu stark eingestellte Klimaanlage zurückzuführen war.
Ansonsten gefiel es uns das lauschige Hütten-Ambiente ausgesprochen gut. Die Kleine konnte sich auf der bequem gepolsterten Wandbank räkeln. Genügend Kissen standen auch zur Verfügung. Der Nebentisch im Eck wurde erst später okkupiert. Die Kurpfalz-Fraktion auf der anderen Seite verhielt sich weitgehend manierlich. Beste Voraussetzungen also für einen genüsslichen Abend im Kreise meiner Allerliebsten.
Für den „lauten“ Liter NEO H-Zwei-O werden mittlerweile 6,50 Euro verlangt. Wer kostbares Heidelberger Leitungswasser aufsprudelt, soll schließlich auch etwas daran verdienen. Die leidige Getränkepreisdiskussion hat Borgi in seinem 2022er NEO-Report schon hinreichend geführt. Ich bin da ganz seiner Meinung.
Warum denn immer nur die Global-Blubber-Player unterstützen, wenn man mit ein paar Euro nicht nur den eigenen Durst adäquat bekämpfen, sondern auch den Laden ein wenig mitsubventionieren kann? Wer heutzutage über unverhältnismäßige Getränkepreise schimpft, der sollte mal an die stark gestiegenen Betriebskosten denken, bevor er sich von „Lieferando“ (oder Uber Eats) Pizza, Sushi oder Kebap bis vor die Haustür bringen lässt.
Auch die Apfelsaftschorle (0,3l für 5,50 Euro) für die Kleine, das alkoholfreie Welde No1 aus der Flasche (0,33l für 4 Euro) für die Große und das anscheinend sehr langsam gezapfte, ebenfalls von der Kurpfälzer Brauerei Welde stammende „No1 Slow Beer Pils“ (0,5l für 6 Euro) wurden nicht gerade zu Freundschaftspreisen ausgeschenkt, gingen aber auch nicht ins preislich Unverschämte.
Dass ich vor ein paar Wochen in Marseille für meinen Pastis 51 zum Aperitif nur die Hälfte hingelegt habe – geschenkt!
Die 7 Euro für die mit Eiswürfeln und Wasser in eine milchig-aromatische Anis-Infusion verwandelte Spirituose aus dem Süden Frankreichs waren definitiv gut angelegt. Spätestens nach diesem Seelenwärmer fühlte ich mich für so ziemlich jede kulinarische „Schandtat“ bereit.
Und derer sollten einige folgen. Doch zuvor versorgte man uns mit adressatenbezogenem Kartenmaterial. Das Töchterchen erhielt die Kinderkarte im Ausmalformat samt hölzernem Buntstiftsortiment und widmete sich fortan ihrer farbigen Ausgestaltung. Eine wirklich nette Idee, die uns ein wenig Zeit zum Schmökern in der Speisenliteratur gab.
Immer zu kleinen Späßen aufgelegt und dabei gerne auf die Wünsche unserer Kleinen eingehend, agierte der Service selbst unter Stress mit Herz und kinderfreundlicher Zugewandtheit. Wir als Eltern hatten nie das Gefühl, in einem „Adults-Only-Restaurant“ zu tafeln. Ganz im Gegenteil. Kinder schienen im NEO sehr willkommen zu sein.
Über das gepflegte Sushi-Angebot des Hauses hatte ich im Vorfeld bereits einiges gehört und gelesen. Mein Bremer Gaumenfreund hatte sich vor ein paar Jahren im familiären Kreis über einen abwechslungsreichen Rohfischreigen hergemacht. Das schrie förmlich nach Nachahmung, zumal sein Report einen ordentlichen „Kessel Buntes“ aus Lachs, Thunfisch und Garnele versprach.
Seine Ausführungen über die beträchtliche Menge an bunten Fernköstlichkeiten auf der Mehrfamilienetagère ließen uns jedoch in weiser Voraussicht „nur“ die „Selection Family-Style“ für eine Person (59 Euro) als Vorspeise zum Teilen ordern. Wir wollten schließlich mit Trüffelpasta (Frau), Mangalica-Brust-Rippe (Mann) und gut gebutterten Nudeln (Kind) noch nachlegen.
Die dreistöckige Etagére sah nicht nur für einen asia-affinen Vorspeisler ziemlich attraktiv aus. Die ließ sich auch prima nach dem Sharing-Prinzip verputzen. Im Parterre tummelten sich Glasnudelsalat, Kimchi, Karottensalat auf asiatisch und eine im Pankomantel frittierte Großgarnele nebst Wakame-Hügel.
Darüber markierte eine in Tempurateig ausgebackene Futomaki-Rolle den knusprig gebackenen, aber leider latent übersoßten „Mittelstand“ der knusprigeren Art.
Gurken- und Avocado-Hosomaki sowie ein paar mit rohem Thunfisch ummantelte Inside-Outs
teilten sich zusammen mit einer Schale voll Ponzu-Vinaigrette, einem Klecks Wasabi und dem obligatorischen Gari den restlichen Platz auf der mittleren Ebene. Ganz oben führten drei akkurat drapierte Nigiri von Thunfisch und Lachs – eines davon mit Rote Bete gebeizt –
und ein paar großzügig geschnittene Scheiben Sashimi der gleichen Fischarten (Fjord-Lachs, Yellow-Fin-Tuna) ihr rohes Regiment.
Die auf der Karte angekündigte Thunfisch-Krokette fehlte genauso wie das Ceviche. Aber da variiert die Küche anscheinend gerne mal. Oder beweist – je nach Marktlage – Mut zur Lücke. Das störte uns nicht im Geringsten, denn die Qualität der hübsch präsentierten Kleinspeisen stimmte durchweg und auch von der Menge her passte es. Wir hatten ja noch ein paar Hauptgerichte zu wuppen.
Mit der Schwierigkeit, die unterschiedlich zubereiteten, kalten und warmen Preziosen punktgenau auf die Platte zu bringen, hat sich der große Gastrosoph aus dem hohen Norden schon kenntnisreich auseinandergesetzt. Da müssen die Abläufe in der Küche passen. Da ist neben der handwerklichen Präzision auch ein gutes Zeitmanagement gefragt.
Und das war hier auch im Großen und Ganzen der Fall. Texturelle Vielfalt traf auf geschmackliche Abwechslung. Die ganz rohen Sachen von der „Dachterrasse“ zählten dabei neben der Knuspergarnele zu unseren Favoriten. Das nicht besonders scharfe Kimchi erfreute meine Gattin,
während mir die schmackig angemachten Salate von Karotte und Glasnudel deutlich mehr zusagten.
Makellose Maki und saftige Inside-Outs komplettierten die familienfreundliche Auswahl an seriös zubereiteten Rohfischbarkeiten. Selbst die kleine Lady am Tisch naschte hin und wieder vom Sushi. Insofern alles richtig gemacht. Da fuhren wir gut gelaunt mit den Hauptspeisen fort.
Meine Gattin hatte sich für die Nudeln an Ricotta-Trüffelcrème mit Blattspinat, Frühlingslauch und Parmesan (32 Euro) aus dem überschaubaren Angebot an „Vegetaritäten“ entschieden. Nur das Töchterchen mochte es noch frugaler und akzeptierte zu ihrer „Kinder-Pasta“ lediglich ein wenig geschmolzene Butter (8 Euro).
Mir hatte die Lektüre der auf diversen Schiefertafeln angekreideten Empfehlungen das Wollschwein schmackhaft gemacht. Die angeblich 24 Stunden geschmorte Brustspitze (= Dicke Rippe) vom Mangalica-Schwein (38 Euro) kam zusammen mit Beluga-Linsen, grünen Tomaten und ein paar Exemplaren des Violetten Rötelritterlings, einem eher selten auf Speisekarten vertretenen Heilpilz, auf das Porzellan.
Das mit kräftiger Jus übergossene Rippenstück fiel zwar nicht ganz so saftig wie erwartet aus, aber seine angenehm mürbe Textur ließ keine Zweifel über ein langes Schmoren im Vorfeld aufkommen.
Ich fiel zwar nicht gleich vom kulinarischen Glauben, aber dafür das Fleisch vom Knochen ab.
Der geschmackliche Mehrwert des ritterlichen Rötlings hielt sich in Grenzen. Der nussig-würzige Leguminosenkaviar konnte aber gut mit der Sauce. Die Tomaten waren dankbare Opfer meiner diagnostizierten Rot-Grün-Schwäche.
Portionsmäßig ging des schweinerne Schmorstück absolut in Ordnung. Der letzte Gaumenkick blieb aber leider aus. Da hatte die mehrstöckige Asia-Kollektion aus dem Vorprogramm deutlich mehr Papillenreiz zu bieten gehabt – und die Erwartungen entsprechend hochgesteckt.
Auch meine Frau verfiel bei ihrer fast schon überparmesanierten Trüffel-Pasta nicht gerade in „Lobnudelei“.
Nun denn, es grünte der junge Spinat knollenpilzübernobelt über einem mit cremig-würziger Eigelb-Ricotta-Trüffelsauce verfeinerten Nudelteller. Für 32 Tacken hätte man ruhig ein wenig mehr frische „Tuberware“ darüber hobeln können. Sieht man im Périgord oder im Piemont wahrscheinlich genauso…
Sei es drum, wie man sich an den einfachsten Dingen…äh Nudeln des Abends erfreut, lehrte uns das Töchterlein, die ihre Butter-Pasta, wenn auch nicht komplett, so doch mit einem gewissen Genuss verspeiste. Kinderglück dank Teigwaren - eine bewährte Formel, die bei unserer Dreijährigen prinzipiell immer gut funktioniert.
Auf einen Nachtisch verzichteten wir in Anbetracht der Uhrzeit und der fortgeschrittenen Sättigung. Das heißt nicht ganz. An der obligatorischen Kugel Eis (4 Euro) für die Jüngste am Tisch kamen wir auch diesmal nicht vorbei.
Fazit:
Ein nicht ganz billiger, aber doch recht entspannter Abend bei einem weltoffen vorgetragenen Speisekonzept, dessen asiatische Stärken beim Sushi uns über kleinere Schwächen bei den Hauptgängen locker hinwegfuttern ließen. Der Service agierte flott und kinderfreundlich zugleich. Der Betrag des nicht mehr ganz so frischen GG-Gutscheins wurde anstandslos von der Rechnung genommen. Dadurch erholte sich das etwas „gebeutelte“ PLV an diesem Abend.
Wenn es dem Nachwuchs gefällt, sind ja für gewöhnlich auch die Eltern zufrieden. Dass sich dieses schick-designte Restaurant mit der Halle02 nebenan die Toiletten teilt, weckte Erinnerungen an den Februar 2019, als ich zusammen mit meiner Frau das VNV-Nation-Konzert besuchte. Lang ist es her. Und alles eben zu seiner Zeit…