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Unsere Service-Dame war aufgeräumter Stimmung und hatte alles im Griff. Durch ihre Zeit auf der MS Europa im Umgang mit Silberrücken gestählt, begrüßte sie uns u.a. mit der Aussage, sie habe vom Chef gehört, dass ein Riesling-Liebhaber unter uns sei. Ich schaute vorsorglich unter den Tisch, ob sich vielleicht Carsten1972 eingeschmuggelt hatte. Aber nein, sie meinte wohl mich. War ja auch kein so unschlauer Move, denn jetzt war ich unter Zugzwang. Die Wahl fiel dann aus der ansprechenden Karte mit deutschem Schwerpunkt auf ein Frühlingsplätzchen GG von Emrich-Schönleber. Nach dem etwas abgewandelten Monty-Python-Motto „Jede/r nur eine Flasche!“ hatte zu Beginn eine Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder aus dem Hause Jülg im Glas geperlt, die aufgrund eines 50%-igen Anteils französischer Trauben Crémant heißen darf. Gefolgt von einem Sauvignon von Wittmann. Nach dem tollen Nahe-Riesling wilderten wir wieder jenseits der Vogesen mit einem Meursault von Pierre Morey. Gegen einen Süßwein zum Käse wurde leider Veto eingelegt.
Für das Verbot, unter anderem keine Olivenölflaschen zum gemeinsamen Gebrauch auf die Tische zu stellen, haben Marius Ries und Sylvia Keller mit einer eigenständigen Idee reagiert. 100ml Olivenöl von Artefakt, in unserem Fall köstliches, leicht scharfes Picual aus Andalusien, wird im wiederverwendbaren Fläschchen zusammen mit sehr leckerem Brot von Knuf für eine Pauschale von 9€ verkauft. Das Brot wird den ganzen Abend auf Wunsch nachgelegt. Bleibt Öl über, nimmt man es in der Flasche mit nach Hause. Für uns 4 passte das sehr gut, ich bin sogar am Zweifel, ob die Brot-Flatrate nicht sogar die Bestellung des einen oder anderen Gang mehr „gekostet“ hat. Allerdings würde auch ein einzelner Gast die 9€ berappen, wobei es auch 100ml Öl, aber ja weniger Brot ist. Darüber scheint man aber schon nachzudenken. Bin auch noch nicht sicher, ob ich das wirklich nachhaltig finde. Kommt wohl darauf an, was das Lokal oder die Kunden mit den Flaschen machen. Geschmeckt hat es jedenfalls vorzüglich und um neue Ideen ist das Canova-Team nicht verlegen.
Dabei finde ich es toll, wie Marius Ries seinen slow-food-Weg weiter geht. Die Zwangspause hat er genutzt, neue nachhaltig arbeitende Produzenten zu finden oder alte Beziehungen wieder zu aktivieren. Besonders spannend finde ich gerade mimiferments, die mir schon in mehreren Spitzenrestaurants begegnet sind. Die Lieferanten werden im Netzauftritt und auch auf den Speisekarten vorgestellt. Luxusprodukte im Sinne der herkömmlichen Hochküche oder Exotischeres jenseits von Tropea-Zwiebeln (vermutlich aber auch in Norddeutschland gewachsen) findet man auf der Karte nicht, wohl aber Auerochse, Spargel, Rhabarber und Sauerampfer.
Letztere beiden wurden im Dessert (15€) mit einem spektakulären Fichtensprossen-Eis kombiniert, wie ich mich auf einem Probierlöffel überzeugen durfte. Ich hatte natürlich die kleine Käseauswahl von Kober bestellt, die ich teilweise schon vom guten Frühstück im Canova kenne. Abwechslungsreich, aber mit 15€ recht teuer. Wobei Feigensenf und besonders selbst gemachte Zwiebelmarmelade überzeugten. Die schwarzen Walnüsse waren gut, kamen aber nicht an das Referenzprodukt aus Idar-Oberstein heran.
Begonnen hatte meine Auswahl mit einer Spargel-Quiche grün/weiß (13€). Der Teig gut gewürzt und wunderbar saftig, aber nicht durchmatscht. Sehr gut. Mindestens genau so gut, ach was, besser die frischen Frühlingssalate! Knackig, würzig, manche scharf, manche leicht bitter, alle mit eigenem Geschmack statt Wasser. Dasselbe im nicht zu sauren Kräuter-Dressing. Das sind ganz einfache, aber eben exzellente Produkte.
Sehr gespannt war ich auf die Vorspeise Räucheraal mit Armem Ritter. Entgegen der jüngst geäußerten Kritik von Jürgen Dollase u.a. an Räucherfisch https://www.eat-drink-think.de/norddeutsche-fischkueche-wie-konnte-das-passieren/ war dieser hier geschmacklich deutlich als Aal erkennbar, also nicht vom Raucharoma erschlagen. Dabei keineswegs fetttriefend, sondern mit kräftigem, auch nicht zu salzigem Fleisch. Eine tolle Idee dazu die gebratenen Brioche-Stücke, außen leicht knusprig, innen fluffig und süß. Super Kombi! Damit das Ganze nicht zu süß und schwer wurde, stellte Marius Ries den Hauptdarstellern knackige Apfel- und Fenchelwürfel an die Seite, Sauerrahm für die Frische und eingelegt die tollen, süß-würzigen Cipolle di Tropea. Ach, wie habe ich das vermisst!
Für mich war es das schon bis zum Käse, - und es war ja immer leckeres Brot mit Olivenöl verfügbar - meine Frau lobte ihr saftiges, noch einen Tick glasiges Zanderfilet (28€) sehr. Mir hätte die krosse Haut besonders gefallen. Auch hier galt, dass die weiteren Zutaten locker mithalten konnten: knackige, intensive Frühlingsgemüse, Kräuter und Pilze, fermentierter Buchweizen für eine weichere Textur und geschmackliche Verbindung und Fenchel für den Kick.
Bei unseren Freunden gefiel das Zweierlei vom Auerochsen (32€), sowohl das Schmorstück als auch das Kurzgebratene wurden auch gegen kritische Nachfragen unmissverständlich verteidigt.
Fazit: Auch unser lock-down-Brechen hat wunderbar funktioniert. Wir haben sehr gut gegessen und getrunken, uns gut unterhalten, alle waren guter Laune und in der Sonne konnte man es wunderbar aushalten. Das Canova ist noch fokussierter geworden und trotzdem entspannt. Es geht wieder aufwärts!